Allgemeines, Basiswissen,  Im Rampenlicht

Als Qualzucht abgestempelt – Unwissenheit und deren Folgen

Im Hinblick auf die immer wieder aufflammende Diskussion um die Nacktrassen, die ausschließlich im deutschsprachigen Raum geführt wird, möchten wir ein für alle Mal und endgültig klarstellen, dass es sich bei den Nacktrassen um schützenswerte, ursprüngliche Rassen handelt.

Als eine natĂĽrlich entstandene Rasse muss diese sofort und ausdrĂĽcklich von dem absurden Vorwurf der Qualzucht ausgenommen werden!

Gesetzesentwurf Ă–sterreich, Tierschutzgesetz, Ă„nderung (315/ME)

Mit 19.02.2024 hat das Bundesministerium fĂĽr Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz in Ă–sterreich, einen neuen Gesetzesentwurf eingebracht. Dieser soll zur Verbesserung des Tierwohls und des Tierschutzes beitragen, sowie eine Vereinfachungen fĂĽr den Vollzug schaffen.

Wir ZĂĽchter, Vereine und Privatpersonen haben diesen aufmerksam gelesen und mit Schrecken festgestellt, dass dieser Gesetzesentwurf extreme einschneidende und noch nie dagewesene Verordnungen fĂĽr alle Haustierhalter bringen soll!

Konkret möchten wir hier aber ĂĽber die zu 100% von diesem Gesetzesentwurf betroffenen Nacktrassen berichten. Darin wird nämlich, sollte das Gesetz beschlossen werden, ausdrĂĽcklich Vollbehaarung gefordert und ein „teilweise oder gänzlich fehlendes Haarkleid“ als Qualzucht eingestuft. Tasthaare alleine genĂĽgen nicht mehr.

Haltungsverbot fĂĽr Qualzuchttiere

Weiters möchten wir euch den erschĂĽtternden Paragraph 8a (3) näher bringen. Darin werden konkret die als von der Kommission – auf diese kommen wir im nächsten Punkt – eingestuften Qualzuchttiere verboten. Und zwar auch im Privatbesitz zu halten!

Nun fragen wir uns ehrlich, was passiert mit diesen ehemaligen Familienmitgliedern, die nur aufgrund ihres andersartigen Aussehens und völlig gesund, aus ihren Familien gerissen werden? Werden eigene Auffanglager gebaut werden wo diese zeitlebens dahinvegetieren werden? Werden diese überhaupt leben dürfen oder aus Tierschutzgründen einfach getötet?

Kommission welche ĂĽber Zucht, Rassen und Ethik entscheidet

Zudem soll eine eigene Kommission, welche aus 4 anonymen Personen besteht und zumindest 2 Personen aus dem wirtschaftlichen Bereich beinhalten soll, geschaffen werden. In dieser Kommission wird über die Ethik, Ästhetik, die Zucht und Rassen, das Leben in Österreich entschieden werden. Auch Zwangskastrationen ganzer Tierrassen, nicht nur einzelner Tiere, können damit angeordnet werden.

Das Schächten von Nutztieren bleibt allerdings erlaubt!

Auswirkungen

Können Sie sich annähernd vorstellen, welche Auswirkungen die Einführung dieser Kommission auf die Zukunft haben wird? Betroffen werden alle Haustierhalter sein, nicht nur Züchter oder Vereine. Und quasi alle Rassen werden aufgrund Fehlinformationen als Qualzucht geführt, nicht nur die Minderheit der Nacktrassen in Österreich.

Bis zum 18.03.2024 hatten Sie die Möglichkeit eine wichtige Stellungnahme zu diesem Gesetzesentwurf einzubringen! Es wurden sage und schreibe über 700 Stellungnahmen FÜR die Nacktrassen von insgesamt 852 abgegeben. Das ist eine starke Stimme und ein Appell an die Vernunft der Politik, sich nicht von Hetze und falschen Informationen instrumentalisieren zu lassen, sondern sich an echten Studien aus der ganzen Welt und von echten Fakultäten zu orientieren.

Ihre Möglichkeit zur Stellungnahme ist abgelaufen, trotzdem können Sie sich die Stellungnahmen ansehen.

UnterstĂĽtzung

Nach nur einer Woche, in der das Gesetz in der Begutachtungsphase war, könnten wir bereits über 90% der eingegangenen Stellungnahmen für die Nacktrassen verzeichnen. Unsere Community ist stark und wir alle stehen zu unseren Tieren, da wir wissen, welch gesunde und natürliche Tiere sie sind!

Auch aus dem Ausland erhielten wir großen Zuspruch und Hilfe, so dürfen wir euch auch einen Gastbeitrag von DI Christoph Riedel und Sandra Uchabowa von der Nofretete´s Cattery präsentieren.

Vielen Dank fĂĽr die fundierte Stellungnahme und den eindringlichen Apell an unsere Gesetzgeber!

Christoph Riedel und Sandra Uchabowa (Nofretete´s Cattery)

Sehr geehrte Damen und Herren,
mit diesen Zeilen möchte ich meine Verwunderung und meinen Unmut darüber kundtun, dass Ihre geplanten Aktionen ohne wissenschaftliche Belege umgesetzt werden sollen.
Anstatt mit den Zuchtverbänden zusammenzuarbeiten, deren Anliegen es ist, eine seriöse Zucht zu gewährleisten, scheinen Sie aufgrund persönlicher Abneigungen vorzugehen.
Ich möchte mich zum Thema „Katzen“ äußern, da ich in diesem Bereich Experte bin. Erlauben Sie bitte, dass ich mich kurz vorstelle.
Ich, Christoph Riedel, habe an der Technischen Universität Berlin Elektrotechnik studiert, und den Grad Diplom-Ingenieur erworben. Ich arbeite als Qualitätsmanager/Prüffeld-Ingenieur sowie -auditor und führe in dieser Funktion regelmäßig Audits in der Industrie bezüglich der Absicherung des Qualitäts-, Umwelt- und Arbeitssicherheitsmanagement durch. In fest definierten Abständen wird meine Qualifikation rezertifiziert, damit sichergestellt ist, dass der Auditor die aktuellen Normen und die betreffenden Gesetzesauszüge kennt.
Als Ausgleich zu meinem Beruf habe ich das Hobby „Rassekatzen“. Zwischen 1992 und 2002 qualifizierte ich mich zum Katzenbewertungsrichter. Ich bin ein sog. All Breed Judge – habe also die Qualifikation erworben, alle Katzenrassen zu bewerten. Ich arbeite weltweit als anerkannter Zuchtrichter.
Ich halte Seminare über Rassestandards, Katzengenetik und -zucht, u. a. auch bei Herrn Prof. O. Distl an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover ab.
Im Jahre 2014 veröffentlichte ich das Sachbuch ĂĽber Katzenzucht und -genetik („Rassekatzen – klasse Katzen, ISBN 978-3-7357-7489-7), weitere Artikel finden Sie in Fachzeitschriften.
Seit vielen Jahren arbeite ich im Vorstand eines gemeinnützigen Katzenvereines, welcher aktiv den Katzenschutz fördert, in dem u. a. freilaufende Katzen eingefangen, kastriert und weitervermittelt werden.
Als ehrenamtliches Vorstandsmitglied organisiere ich Katzenausstellungen und habe somit häufigen Kontakt zu Amtsveterinären.
Nun zu den Katzen, gerade in Bezug auf unbehaarte Katzen, Perser, weiĂźe Katzen und Bengal-/Savannah-Katzen sowie zu der American Curl bzw. Japanese Bobtail lege ich mein Veto ein, da es hier keine wissenschaftlichen Untersuchungen gibt, die eine Qual nahelegen.

I. Unbehaarte Katzen:
Da ich selbst diese Katzen züchte, wird dieser Abschnitt etwas länger.
Bevor ich genauer auf die Problematik eingehe, wollte ich erwähnen, dass schon die Bezeichnung „Nacktkatze“ an sich unkorrekt ist, da „nackt“ unbekleidet bedeutet und dies auf dann alle feliden Artgenossen zutrifft. Aus diesem Grunde spreche ich lieber von unbehaarten/spärlich behaarten Katzen, zumal wenn Katzen mit Kleidungsstücken seitens ihrer Besitzer versehen werden, dann gerade diese Varietäten.
Durch die Presse ging vor allem das Gerichtsurteil des Berliner Verwaltungsgerichtes, das auf Forderung des Spandauer Veterinäramtes verfügte, dass der Canadian Sphynx-Kater „Willi“ kastriert werden sollte. Dadurch, dass ich genau in diesem Gebiet meinen Wohnsitz habe, habe ich enge Bezugspunkte zu diesem Urteil.
Zunächst einmal möchte ich kurz auf unser Rechtssystem hinweisen, in dem jemand solange als unschuldig gilt, solange ihm keine Schuld nachgewiesen wird. Leider wird dieser Grundsatz seit einiger Zeit von einigen Amtstierärzten/„Tierschützern“ vorsätzlich untergraben, da hier ohne wissenschaftliche Untersuchungen Behauptungen aufgestellt werden, die von vielen dann als Tatsachen angesehen werden. Dies führt unweigerlich zu einer verfälschten Beweislast, da der Amtsveterinär häufig die Meinung vertritt, nicht er müsse die „Schuld beweisen“, sondern der Liebhaber die „Unschuld“.

Auch wenn dieses Vorgehen keinesfalls mit meinem Rechtsverständnis vereinbar ist, werde ich die Argumente aufgreifen und diskutieren.

Häufig gibt es vier „Tatvorwürfe“:
1. Tatvorwurf – Tiere bekämen stets Sonnenbrand und/oder wĂĽrden ständig frieren (siehe hierzu unsere Erläuterungen in Punkt 1)  
2. Tatvorwurf – Tiere hätten keine Wimpern (siehe Punkt 2)
3. Tatvorwurf – Tiere hätten keine Vibrissen (siehe Punkt 3)
4. Tatvorwurf – Tiere können in freier Natur nicht überleben (siehe Punkt 4)

1. Ausführungen zum Tatvorwurf „Tiere bekämen stets Sonnenbrand und/oder würden ständig frieren“:
Wenn man das Internet durchstöbert, liest man häufig, dass unbehaarte Katzen sehr häufig frieren würden oder einen Sonnenbrand bekämen. Stimmt dies aber auch? Wenn man sich diese Artikel ansieht, dann bemerkt man schnell, dass diese Aussagen hauptsächlich von Personen stammen, die selbst gar keine unbehaarten Katzen besitzen – häufig noch nie persönlich welche gesehen haben. Den Wahrheitsgehalt dieser Publikationen darf man anzweifeln.
Wesentlich seriöser sind hier die Aussagen des Tierarztes Dr. Newkirk [1], der berichtet, dass Aktinodermatitis bei hellen haarlosen Katzen an den Ohrenrändern, dem Nasenspiegel und der Lippen auftritt. Wenn man dies mit den Ausführungen der Veterinärin Dr. MacPete [2] vergleicht, dann behauptet sie das gleiche bei Katzen mit Fell. Mit anderen Worten, das Risiko eines Sonnenbrandes nicht von der Felllänge abhängig, sondern von der Pigmentierung der Haut. Denn hauptsächlich treten Sonnenbrände nur bei hellpigmentierten Katzen an den o. g. Stellen auf – sowohl bei kurzhaarigen, langhaarigen oder unbehaarten Tieren. Bei dunkel pigmentieren Tieren ist dieses Risiko als vernachlässigbar klein anzusehen.
Mit anderen Worten, ist das Problem „Sonnenbrand“ nicht von der Felllänge abhängig, sondern von der Pigmentierung an den Ohren und der Mundpartie samt Nasenspiegel.
Aus keinem wissenschaftlichen Gutachten geht hervor, dass haarlose Katzen frieren würden (siehe hierzu auch Schmidt[3]). Haarlose Katzen haben einen höheren Energieumsatz, und die Haut ist stärker durchblutet. Wissenschaftliche Belege gibt es nicht. Dass die Haut stärker durchblutet wird und damit äußerlich eine höhere Temperatur herrscht, beschreiben Cheberuk [4] und Fawcett [5]. Nirgends gibt es wissenschaftliche Hinweise auf frierende Katzen.
Abgesehen davon, gibt es unterschiedliche Ausführungen. Speziell bei den Rassen Don Sphynx und Peterbald beschreibt eine spärlich behaarte, nahezu haarlose Katzenrasse. Sie haben verschiedene Felllängen. Sie werden je nach Beschaffenheit der Haare in den Varietäten „bald/Gummi“, „velour“, „flock“, „brush“ und in „straight“ unterschieden (siehe Riedel [6]).

Da bei Peterbalds eine Kreuzung zwischen Siamesen, Balinesen, Orientalisch Kurzhaar und Orientalisch Halblanghaar (Mandarin) erlaubt ist, ist es auch nicht erstaunlich, dass zwei Peterbald-Eltern einen Wurf mit Balinesen/Mandarin aufziehen können.
Die komplett mit Haarkleid versehenden Kinder dieser Peterbald-Eltern werden häufig als Peterbald straight registriert, sie tragen allerdings kein Allel der Haarlosigkeit, entsprechen also phänotypisch und genotypisch ihren behaaren Varietäten.
Allein der Tatvorwurf „Haarlosigkeit“ widerspreche dem Deutschen Tierschutzgesetz, ist falsch.
In dem vom deutschen Bundesministerium fĂĽr Ernährung und Landwirtschaft (BMLEV) in Auftrag gegebene „Gutachten [7] zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von QualzĂĽchtungen)“  steht, dass ein Zuchtverbot fĂĽr Katzen zu empfehlen ist, bei denen die Tasthaare fehlen.
Auch das rechtskräftige Urteil [8] des VG Berlin vom 23.09.2015 (Aktenzeichen 24 K 202.14), in dem ein Sachverständigengutachten erhoben wurde zur Entscheidungshilfe, wird ausschließlich das Fehlen der Tasthaare bemängelt, dies und allein dieser Sachverhalt hatte auch maßgeblichen Einfluss auf die Urteilsbegründung.

Auch auf Anfrage des Buchautors M. Skupin [9], sowie der Online-Bloggerin Frau B. Kuhlmey [10] an deutsche Bundesländer, inwieweit es erlaubt sei, haarlose Katzen zu züchten oder ob es nun spezielle Vorgaben gebe, gab es keine weiteren Auflagen, als das Qualzucht-Gutachten [7] auch schon beschrieb.

Aus dem Bundesland Bayern gab es folgende Aussage: „Ein Verbot bestimmter, ausdrücklich genannter Rassen sieht das Tierschutzgesetz nicht vor.“

Die Antwort Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf M. Skupins Frage [11] hin war: „[…] ein Verbot der Züchtung von Tieren bestehen kann, wenn Tasthaare fehlen!“

Mit anderen Worten: die Haarlosigkeit von Katzen alleine ist für ein mögliches Zuchtverbot nicht relevant!

2. Ausführungen zum Tatvorwurf „Tiere hätten keine Wimpern“:

Diese Frage stellt sich einem nach intensiven Recherchen: „Haben Katzen überhaupt Wimpern?“ Im Internet findet man schnell die Aussage, dass lediglich einige, wenige Katzen Wimpern besitzen.
Laut D. Ramsey [12]  findet man folgende Aussage: „Hunde besitzen Wimpern an den oberen Augenlidern, Katzen jedoch keine, weder am oberen noch unteren Lid.“
Die gleiche Aussage findet man auch im Buch von D. Maags u. a. [13], was auch auf dem Seminar von dem Augenspezialisten Herrn M. Werhahn Beining14 berichtet wurde.  
Auf schriftlicher Nachfrage der ersten Vereinsvorsitzenden der Katzenfreunde Norddeutschland e. V. wurde diese Aussage von Herrn Werhahn Bening per E-Mail vom 05.02.2017 schriftlich bestätigt, dass Katzen keine Wimpern haben; er schreibt: „Demnach müssten doch alle Katzen ausgeschlossen werden – sie haben einfach keine Wimpern. Ich persönlich denke, wenn das Fehlen der wenigen Haare am Oberlid zu erhöhten Augenschäden führen würden, hätten wir sie häufiger in der Klinik gesehen – was nicht der Fall war.“

Interessanterweise findet man auch im Sachverständigengutachten im Rahmen des VG Berlin [4] (Akten-zeichen 24 K 202.14) keinen Hinweis auf Wimpern. Gleiches gilt auch im Gutachten [15] von Herrn Dr. Schmidt, in dem zwar die Größe und Stellung der Augen beschrieben werden, die Wimpern aber keinerlei Erwähnung finden.
Da es auch im Gutachten [7] zur Auslegung von §11b des deutschen TierSchG keine Auflagen bezüglich Wimpern gibt – weder im allgemeinen Teil, noch im speziellen Teil („Katzen“) – gehen wir von einer Verbreitung von Fehlinformationen aus – oder die Frage der Wimpern spielt bei der Katze keine große Rolle, da das dritte Augenlid, eine wichtige Schutzfunktion des Auges übernimmt.
Die Anatomie des Menschen kann man nicht ohne weiteres auf Katzen ĂĽbertragen.

3. Ausführungen zum Tatvorwurf „Tiere hätten keine Vibrissen“:

Die Tasthaare sind an den Haarwurzeln, die dreimal tiefer in die Haut liegen als normale Haarwurzeln, mit zahlreichen Nerven verbunden, von denen die Signale ans Gehirn der Katze weitergeleitet werden.  Die Haarwurzeln reichen bei den Sinushaaren meist bis in die tiefste Schicht des Unterhautgewebes, teilweise bis in die darunter liegende Muskelschicht (siehe M. Skupin [15]).

Die Anzahl der sichtbaren Vibrissen sowie deren Länge/Dichte variieren laut F. Rice [16] bei nahezu allen Katzenrassen,  zumal die im Haushalt lebenden Katzen sich doch recht unterschiedlich entwickelt haben gegenĂĽber der „Stammväter“ Felis silvestris lybica und Felis silvestris silvestris, „ohne dass diese Veränderungen als Qual oder Leiden bezeichnet werden“ können (siehe Schmidt [3]).

Laut Erhard [17] gibt es keine medizinische Hinweise, dass die Vibrissen nicht oder nur ungenügend funktionstüchtig seien, wenn eine gewisse Länge der äußeren Tasthaare unterschritten werde. Ähnliche Aussagen erhalten Sie auch von Reep u. a. [18] und Günther [19].

Wie oben bereits erwähnt, sind die Tasthaare mit den Haarwurzeln und den Nerven verbunden. In wie weit eine Störung und Fehlbildung unterhalb der Vibrissenkissen vorliegt, ist mit bloßem Augen nicht nachvollziehbar und kann so nicht bewiesen werden.

Vorgaben, die eine Mindestlänge der sichtbaren Tasthaare einfordern, sind weder aus dem deutschen TierSchG, dem „Qualzucht-Gutachten“ [7] oder sonstigen Veröffentlichungen [9, 10, 15] her leitbar.

Auch im Sachverständigengutachten im Prozess [8] am VG Berlin (Aktenzeichen 24 K 202.14) finden sich keine Angaben, wie lang die äußeren Tasthaaren sein sollten.

ZĂĽchter im Bereich Hessen haben laut Aussage von der Tierschutzbeauftragten Frau Dr. Martin eine Nachweispflicht von mindestens 1 mm Länge. Frau Dr. Martin wird als die deutsche „Expertin und treibende Kraft in Sachen Qualzucht“ – nicht nur in Deutschland, sondern zeitweise auch in BrĂĽssel – tituliert [20].

An dieser Stelle sei anzumerken, dass laut Erhard [17] auch bei Mäusen eine Funktion ihrer Tasthaare gewährleistet ist, wenn diese gekräuselt oder kurz sind.

Hierzu ist besonders zu erwähnen, dass die Erforschung der Vibrissen noch nicht abgeschlossen sind, gemäß Prof. Prescott[ 21] ist bisher nur wenig über die eigentliche Funktionsweise der Vibrissen bekannt.
Herr Dr. Schmidt [3] erwähnt, dass die Sinnesorgane der Katzen noch nicht ausreichend genug neurologisch untersucht seien und dass die Sinushaare (Vibrissen) bei Katzen lediglich für Engpässe von Bedeutung seien, nicht aber für die Orientierung in der Dunkelheit.

Es gibt auch Aussagen, dass das mütterliche Abknabbern der Vibrissen bei Jungtieren als verhaltens-gestört angesehen wird. Diese Aussage steht im Widerspruch zu J. Dehasse & S. Schroll [22], die sagen: „Manche Katzenmütter oder auch sehr soziale Katzen beißen ihren Kitten oder Partnern […] die steiferen Tasthaare ab.“
Herr Dr. Schmidt [23] bezeichnet dieses Verhalten alles als andere als „verhaltensgestört“, sondern explizit als: „normales Verhalten.“

Nicht nur viele Katzenmütter beißen übrigens dem Nachwuchs die äußeren Schnurrhaare ab, um sie ein wenig in ihrem „Bewegungsdrang“ zu bremsen, dieses Phänomen beobachtet man auch bei anderen Säugetieren (wie z. B. Mäusen Meerschweinchen, Hasen). Laut Barth [24] wurde bewiesen, dass das Fehlen von äußeren Tasthaaren auf der neurologischen Ebene im Gehirn rasch kompensiert werden konnte und ergänzende Neuronenverbindungen gebildet wurden: „Die Zellen hatten das Fehlen der Vibrissen im überraschendem Ausmaß kompensiert.“

Des Weiteren sind Aussagen zur Bedeutung der Vibrissen bei der Feststellung der Nahrungs-beschaffenheit sowie Sozialverhalten ohne entsprechende wissenschaftliche Experimente nicht haltbar (siehe Dehnhardt [25]).

4. Ausführungen zum Tatvorwurf „Tiere könnten in freier Natur nicht überleben“:
Genau mit diesen Vorurteilen haben Liebhaber/Züchter von ungewöhnlichen Tieren zu kämpfen. Beispielsweise wird bestimmten Arten unterstellt, dass diese in freier Natur gar nicht überlebensfähig seien. Gerade bei Rassekatzen wird dabei häufig vergessen, dass die Felis silvestris catus niemals in freier Natur gelebt hatte. Hauskatzen sind keine eingefangenen Wildtiere, sondern Haustiere, die sich stets im menschlichen Umfeld bewegten. Sie entstammen von den „Stammvätern“ Felis silvestris lybica und Felis silvestris silvestris, die sich anders als diese entwickelt haben, ohne dass diese Veränderungen als Qual oder Leiden bezeichnet werden können (Dr. W.-D. Schmidt [3]).

Anscheinend werden hier europäische Wildkatzen mit verwilderten Hauskatzen verwechselt!

Die Frage ist also nicht, ob unbehaarte Katzen in Europa in freier Natur überleben könnten, sondern ob es irgendwo anders Gegenden gibt, in denen diese Katzen gelebt hatten. Tatsächlich wurden nicht nur kurzhaarige, sondern im Jahre 1921 auch haarlose mumifizierte Katzen aus dem alten Ägypten gefunden. Auch wenn es Skeptiker gibt, die meinen, dass bei Mumien die Haare in jedem Falle ausfallen, so ist es schon verwunderlich, dass dort im Gegensatz zu anderen Katzenmumien keine Haare in der nächsten Umgebung gefunden wurden und dennoch die vorhandenen Tasthaare fest verwachsen waren (siehe Skupin [15]). Dies kann man hinreichendes Indiz für die Existenz von haarlosen Katzen im alten Ägypten ansehen.

Auch in den lateinamerikanischen Ländern gibt es Überlieferungen, die auf die Existenz von haarlosen Katzen im 13./14. Jahrhundert schließen lassen. Einen wirklichen Beweis hat man für diese Theorie bis heute jedoch nicht erbringen können.

Da aber auch andere haarlose/spärlich behaarte Säugetiere in Gegenden mit diesen klimatischen Bedingungen vorkommen, macht eine ehemalige Existenz von haarlosen Katzen im äquatornahen Gebiet nicht unwahrscheinlicher.

II. Perser:
Auch bei Perserkatzen werden häufig Vorurteile verbreitet, da diese nicht angeblich atmen können. Hier haben Sie eventuell die sogenannten „Peak Face“ in Erinnerung, die es in den 1980iger bis Anfang der 1990iger Jahre aus den USA nach Europa gelangten. Allerdings habe ich seit mindestens 30 Jahren in Mitteleuropa solche Tiere nie mehr gesehen.
Meine Frage: welche Gutachten dazu gibt es zu Perserkatzen? Wie viele Perserkatzen kennen Sie, die nicht durch die Nase atmen, sondern nur durch den Mund? Wurde eindeutig geklärt, dass diese Tiere dann nicht eventuell an Katzenschnuppen litten?
Als Ingenieur kann ich Ihnen versichern, dass wenn eine Pipeline verstopft, es meist die längeren sind und nicht die kürzeren. Die Nasenlänge hat also nichts mit der Gebrauchsfähigkeit des Atmensystems zu tun!

III. WeiĂźe Katzen:
Bei weiĂźen Katzen wird behauptet, viele seien taub. Dies stimmt nicht. Vor vielen Jahrzehnten gab es eine Untersuchung, bei der unter drei Prozent der betrachteten Tiere eine Taubheit vorlag. Durch die EinfĂĽhrung audiometrischer Tests konnte dieser Prozentbetrag reduziert werden. Beispielsweise bei TĂĽrkisch Angora-Katzen, deren ZĂĽchter systematisch und konsequent diese Tests anwenden (auch bei Tieren, die nicht in die Zucht gehen), gibt es im gesamten Mitteleuropa seit mindestens einem Jahrzehnt keinen einzigen Fall einer tauben weiĂźen TĂĽrkisch Angora mehr.

IV Bengal- und Savannah-Katzen:
Bei Bengal- und auch bei Savannah-Katzen wird daraufhin gewiesen, dass dieses eine Kreuzung mit Wildtieren sei, die in Größe und Tragzeit stark von denen der Felis catus abweiche.
Dies ist richtig – für die Generatioen F1 und F2. Was spricht also dagegen, mit Tieren ab beispielsweise F4/F5 zu züchten? Richtig: nichts!

V American Curl / Japanese Bobtail:
Auch das vergesehene Verbot der American Curl kann man nicht verstehen. Kann es sein, dass Sie die Genetik der nach hinten gekippten Ohren mit denen der nach vorne gebogenen Ohren der Scottish Fold verwechselt haben? Die Scottish Fold hat einen Lethal-Faktor, die American Curl nicht.
Ebenfalls bitte ich Sie, die verkürzten Schwänze der Japenese Bobtail nicht mit denen der Manx-Katzen zu verwechseln! Auch in diesem Falle fordere ich Sie auf, Gutachten zu präsentieren!

VII ResĂĽmee:
Wenn man die vier genannten Tatvorwürfe betrachtet, muss man feststellen, dass kein Tatvorwurf wissenschaftlichen Untersuchungen standhält. Man kann hier wohl von der Verbreitung von unbe-gründeten Vorurteilen ausgehen, und ein möglich Verbot dieser Rassen käme einer Willkür gleich!

Gegen Vorurteile – oder „unbewusste Voreingenommenheit“, wie man es fachspezifisch nennt – ist niemand gefeit. Aufgrund der Vielzahl an Informationen, die jederzeit auf uns einströmen, ist es wichtig, diese Daten zu selektieren. Dieses reaktionsschnelle Verhalten hat den Menschen im Laufe der Zeit vor dem Aussterben beschützt. Doch heutzutage muss sich der Mensch normalerweise nicht der Wildnis stellen und ums Überleben kämpfen, sondern faktengestützte Entscheidungen treffen. Aus diesem Grunde sollte man sein Handeln nicht nur auf unbewusste Voreingenommenheit stützten, ansonsten könnten schwerwiegende Fehler die Folge sein! Dies hat der israelische Wirtschafts-Nobelpreisträger Kahneman [26] eindrucksvoll beschrieben.

Als Affektheuristik bezeichnet man die emotionale Reaktion durch persönliche Vorurteile. Man lässt nur den ersten Eindruck zu und zeigt sich resistent gegenüber weiteren Gegebenheiten.

Durch die sog. Bestätigungsfehler untermauert man seine vorgefertigten Ansichten, in dem nur eine selektive Auswahl an Informationen zulässt und andere ignoriert bzw. diese als Fehlinformationen bewertet. Als nächstes interpretiert man die Auswahl der Informationen nur in der Weise, die bereits die getroffene Bewertung unterstützt. Aus dem Gedächtnis werden schließlich nur diejenigen Fakten abgerufen, die den eigenen Erwartungen entsprechen.

Der Halo-Effekt wirkt sich auf die Einschätzung von weiteren konkreten Eigenschaften aus. Aufgrund von positiven Erfahrungen in einem Bereich schätzt man jemanden für nahezu alle Bereiche als geeignet ein. Dies gilt selbstverständlich auch im Negativen. Wenn jemand eine gewisse Aufgabe nicht erfüllt, so sei er für jegliche andere Arbeiten ebenfalls nicht geeignet. Es entsteht das stereotypische Denken, das sog. „Schubladen-Denken“ (siehe The Royal Society [27]).

Auch gibt es eine Beeinflussung durch Ähnlichkeiten, so dass man Personen bevorzugt, die einem selbst ähnlich sind und deren Fehler man leichter ignoriert. Auf der anderen Seite werden Fehler von andersartigen fokussiert. Häufig haben Menschen die Einstellung: „Das Ähnliche ist sicher – das Andersartige bedrohlich.“ (siehe hierzu auch Banaji u. a. [28] sowie PyCuriosity [29]).

Diese Einstellung findet man leider besonders häufig, wenn es um haarlose Katzen geht! Tun Sie das bitte nicht, lassen Sie sich von wissenschaftlichen Fakten leiten – nicht von unbewusster Vorein-genommenheit!

Mit freundlichen GrĂĽĂźen

Ihr Christoph Riedel

Quellenangaben:
[1] Dr. Newkirk, M. „All About Hairless Dog and Cat Breeds“, https://animalwellnessmagazine.com/all-about-hairless-breeds/

[2] Dr. MacPete, R.: „Protect Your Pet From The Sun!“,  
http://www.pethealthnetwork.com/dog-health/dog-checkups-preventive-care/protect-your-pet-sun

[3] Dr. Schmidt, W.-D.: Gutachten zum §11b TierSchG  â€žQualzucht“ bei Sphinx-Katzen vom 24.09.2001
[4] Cheberuk, O. & A.:  â€žSphynx Cats – Keep and Care“, http://sphynxcat.by/en/keep/sphynx.php

[5] Fawcett, K.:  â€ž11 Not-So-Fluffy Facts About Sphynx Cats“, http://mentalfloss.com/article/69740/11-not-so-fluffy-facts-about-sphynx-cats

[6] Riedel, Ch.:  â€žRassekatzen ď‚ź klasse Katzen“, Books on Demand, ISBN 9-783735-774897
[7] Deutsches Bundesministerium fĂĽr Ernährung und Landwirtschaft (BMEL):  â€žGutachten zur Auslegung von § 11b des Tierschutzgesetzes (Verbot von QualzĂĽchtungen)“
http://www.bmel.de/cae/servlet/contentblob/631716/publicationFile/35840/Qualzucht.pdf

[8] Gerichtsurteil des Berliner Verwaltungsgerichtes, 24. Kammer, Aktenzeichen 24 K 202.14 „Verbot der Zucht von Sphinx-Katzen (sogenannte Nacktkatzen)“ am 23.09.2015, bei juris.dehttp://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/279b/bs/10/page/sammlung.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&doc

[9] Skupin, M.: „Sphynxbuch – Anfrage an die Bundesländer“
http://www.welt-der-katzen.de/sphynxbuch/sphynxkatzen/anfrage-an-bundeslaender/anfrage-2016.php

[10] Kuhlmey, B.: „Nacktkatzen-Zucht – Qualzucht? Wo sind die Grenzen im Zucht-Geschäft?“
http://www.erna-graff-stiftung.de/nacktkatzen-zucht-qualzucht-wo-sind-die-grenzen-im-zucht-geschaeft/

[11] Skupin, M.: „Haarlose Feliden  Welt der Katzen Edition “, Books on Demand, ISBN 9-783848-224494
[12] Prof. Ramsey, D. T.: “Conditions of the Eyelid and Ocular Adnexa in Dogs und Cats”, Michigan State University, http://www.vin.com/VINDBPub/SearchPB/Proceedings/PR05000/PR00520.pdf

[13] Maggs, D., ‎P. Miller & ‎R. Ofri: „Slatter’s Fundamentals of Veterinary Ophthalmology Cilia Cat” (Elsevier, St. Louis, Missouri 2013, ISBN 978-1-4377-2367-0)
[14] Werhahn Beining, M., Augenheilkunde beim Kleintier, GP Cert Ophthal: Seminar „Augenerkrankungen, Diagnostik und Therapie“ am 18.11.2015 an der Kleintierklinik Hannover
[15] Skupin, M.: „Sphynx  Die nackte Wahrheit  Welt der Katzen Edition“, Books on Demand, ISBN 978-373224-5352
[16] Rice, F. L. & B. L. Munger: „A Comparative Light Microscopic Analysis of the Sensory Innervation of the Mystacial Pad. / II. The Common Fur beetween the Vibrissae”, http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/cne.902520205/abstract

[17] Erhard: „Pathomorphologische Charakterisierung der neuen hypotrichen Mausmutante“
[18] Reep, R. L., M. L. Stoll, C. D. Marshall, B. L. Homer & D. A. Samuelson: „Microanatomy of Facial Vibressae in the Florida Manatee: The Basis for Spezialized Sensory Function and Oripulation”, https://pdfs.semanticscholar.org/db62/961e6f1a72543d28e0a9bfe9b04310e5cdf5.pdf

[19] Günther, S.: „Die Tasthaare von Ratte und Maus oder wie fühlt sich die Welt an?“,
http://www.farbmauszucht.de/media/ec1d4cc54c79324dffff8151ffffffef.pdf

[20] Zitat von D. Krowas, https://www.darksphynx.de/thema-tasthaare/

[21] Prof. Prescott, T., Dr. B. Mitchinson & Dr. R. Grant: „Vibrissal behavior and function“, http://www.scholarpedia.org/article/Vibrissal_behavior_and_function

[22] Dehasse, J. & S. Schroll: „Verhaltensmedizin bei der Katze: Leitsymptome, Diagnostik, Therapie und Prävention“, Thieme Verlag, ISBN 978-3-8304-1294-6
[23] Dr. Schmidt, W.-D.: „Verhaltenstherapie der Katze“, Schlütersche Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-87706-891-5
[24] Barth, A.: „Carnegie Mellon University Rearch Shows How Sensory-Deprived Brain Compensates”
[25] Dr. Dehnhardt, G.: „Gutachten zur Bedeutung des Scherens der Vibrissen beim Pudel“
[26] Kahnemann, D.: „Thinking, fast and slow“, Penguin Verlag, ISBN 978-0-1410-3357-0
[27] The Royal Society: „Understanding unconscious bias”, https://www.youtube.com/watch?v=dVp9Z5k0dEE

[28] Banaji, Mahazarin R. & Anthony G. Greenwald: „Blindspot: Hidden Biases of Good People“, Delacorte Press Verlag, ISBN 978-0-5538-0464-5
[29] PsyCuriosity: „Vorurteile und Stereotype – einfach erklärt“,  https://www.youtube.com/watch?v=2U3bAIB32iw

Dipl.-Ing. (TU) Christoph Riedel, E-Mail: riedel.christoph.catjudge@gmail.com

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